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Über Montage, Beinhaare und das Anfangen

„Schreib doch einen Artikel über das Anfangen!“, hat Emma gesagt. Ich habe nämlich nie viel geschrieben, was sich ja nun mit transitioneer ändern wird.

Also los: „Aller Anfang ist schwer!“, säuselte mein inneres Phrasenschwein, während ich auf die Straße trat und hinter mir die Haustür ins Schloss fiel. Ich lief in kurzen Jeans durch die Fußgängerzone. Das tun viele. Soweit alles unauffällig. Doch für mich war es das erste Mal.

Meine Hose: kurz. Meine Haare an den Beinen: lang, im Sommer. Ich fühlte mich unsicher, unwohl und beobachtet.

Angefangen hatte alles im letzten Winter: Im Winter ist Beine nicht rasieren nämlich ok. Es ist ja Winter. So entschloss ich mich dazu, mich vom Schönheitsdiktat zu emanzipieren. Die Tage wurden Ende März dann wärmer und im April schien häufiger die Sonne. Noch verschwendete ich wenig Zeit darauf, an meine haarigen Beine zu denken. Im Mai kam dann die Zeit der Konfrontation und plötzlich machte ich mir so viele Gedanken darüber, was andere Leute über meine Beine denken könnten, dass es mich störte, wie viele Gedanken ich mir machte. Kurzum, ich war kurz davor meine Beine wieder zu rasieren. Und tat es nicht. Manche, Frauen wie Männer, fanden das total mutig, gar bewundernswert. Andere empfanden es als einen Affront gegen die Schönheit und die patriachale Marktmacht des Ohrwurms „I am your venus, i am your fire, at your desire“.

Das erzähle ich euch, um einen abstrakten Prozess zu illustrieren: Die Stufen des Anfangs, vom Entschluss aus kommend, über das Hadern stolpernd, bis zum Ende des Anfangs. Was wiederum einen neuen Anfang beschreibt und gleichzeitig das Ende von etwas Anderem bedeuten kann. Und ist der Anfang, am Ende, doch nur eine Verwandlung des schon Vorhandenen?

Irgendwo fängt immer etwas an. Als Schnapsidee, als Aufforderung, als Befehl, als Vorwurf, als Ratschlag. Oder von innen heraus als Eingebung, Muße oder Empörung. Das Leben ist überhaupt voller Anfänge, die sich überschneiden, ablösen oder voneinander abhängig sind:

Geburt, Silvester, erster Zahn, erstes Fahrrad, erste Klasse, erste Beziehung, das erste Mal, 1.Mai, erste Demo, erste Anzeige, Anfangen Aufzuhören zu Rauchen, erste Bewerbung, erste Absage, Montag.

All diese Anfänge sind Elemente des Verwandelns, des Weitermachens. Weitermachen muss man aber nicht mit dem, womit man angefangen hat. Die Sterne singen zum Beispiel: „Wir müssen nichts so machen wie wir’s kennen, nur weil wir’s kennen wie wir’s kennen.“ – Das klingt einfach, dabei ist es aber ganz schön schwer altbekannte Pfade zu verlassen. Denn altbekannte Pfade und Denkmuster mit Barrieren abzubauen, ist eine komplexe Verwandlung. Wir wägen ab, entscheiden, wir handeln und wir tragen die Verantwortung – und fangen an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit mit etwas anderem wieder von vorne an.

Diese halbgaren philosophischen Überlegungen entspringen der Frage: „Muss ich meine Beine überhaupt rasieren?“, und zielen darauf ab, Anfänge zu wagen. Auch wenn nicht jeder Montag ein willkommener Anfang ist – das gebe ich ja zu –, kommen wir doch nicht umhin, Anfängen entgegen zufiebern, sie zu feiern oder manchmal auch zu fürchten. Damit wir sie nicht fürchten müssen, weil sie uns passieren, sollten wir sie aktiv gestalten und es wagen uns einzumischen!

Und da stehe ich mit meinen behaarten Beinen, abseits meiner Komfortzone, abseits der gesellschaftlichen Leitplanken, mitten im Dickicht und fange an mich zu bewegen.

 

 

Von laura

Wenn Laura nicht gerade für trotzdem schreibt oder illustriert, findet man sie beim Bouldern oder Schrauben in der Boulderhalle in Flensburg. Als Kommunikationsdesignerin ist sie unser Joker, wenn es um die Bebilderung der Artikel und sonstige visuelle Gestaltung von trotzdem geht — sei es auf der Website oder Instagram.

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