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“Es ist nicht nur so eine Laune!” – Interview mit Fridays For Future

Wir wollten die Initiator*innen von Fridays For Future (FFF) in Flensburg kennenlernen, da kamen Luna Renninger und Isabell Preiß von sich aus auf uns zu: Wir haben uns zu einem Gespräch im Kaffeehaus getroffen. Isabell hatte leider doch keine Zeit, dafür wurde Luna von Frietjof Hummel und David Friedrich begleitet und wir haben miteinander über die internen Strukturen der Schüler*innendemonstrationen, über eigene Motivationen und über politische Forderungen gesprochen. 

Luna, du hast gemeinsam mit Isabell hier in Flensburg die Demonstration ins Leben gerufen. Wann wusstet ihr, dass ihr was tun müsst?

Luna: Ich bin auf Whatsapp in eine dieser Fridays for Future-Gruppen reingekommen und habe dann einfach für Flensburg auch eine Gruppe gegründet. Weil die Grundidee der Demonstrationen mich darin bestätigt hat, dass etwas nicht stimmt: Wie heiß der Sommer letztes Jahr war, zum Beispiel.
Ich lebe am Meer und da wird so viel Plastik angeschwemmt. Es passiert vor unserer Haustür. Wir können die Katastrophe nicht mehr verdrängen. Das sind alles solche Kleinigkeiten – deswegen hat Greta Thunberg ja auch angefangen zu demonstrieren. – Ich hatte also die Gruppe gegründet, fünf Leute hinzugefügt und am nächsten Tag in der Schule waren alle so: “
Ja Luna, hammer nice!” und so wurden wir immer mehr.

Hast du dich auf der Webseite von FFF dann darüber schlau gemacht, wie ihr zum Beispiel eine Demonstration anmelden müsst?

Luna: Da gab es die Website noch gar nicht so, wie sie jetzt ist! Ich habe auch ein bisschen mitgemacht bei der Erstellung des Guides, der beschreibt, wie man eine Regionalgruppe gründet. Das ist alles noch nicht da gewesen. Das wurde alles innerhalb eines Monats ganz neu aufgebaut. Ich bin da so mit rein gewachsen und wir hatten jemand, der sich um die Regionalgruppen kümmert, so eine Art Betreuung. Jetzt bin ich selbst in einer Regionalgruppe. Ganz cool mitzubekommen, wie sich das ändert und Strukturen wachsen.

Und wie organisiert ihr euch hier in Flensburg genau? Habt ihr einen Ort, an dem ihr euch trefft und wie fällt ihr Entscheidungen?

Frietjof: Wir haben diese Whatsapp-Gruppe, in der wir immer schreiben und auch Protokoll führen, nach jedem Treffen. Für Treffen waren wir jetzt im Aktivitätshuset in der Norderstraße und sonst in Cafes oder auf dem Museumsberg. Das wird immer vorher abgemacht.

David: Wir haben hier in Flensburg sozusagen Beauftragte für bestimmte Themenbereiche, wie Redner, Ordner, Anmeldung und was auch immer.

Luna: Und deutschlandweit haben wir verschiedene AGs jeweils für Presse, Social Media – eben für alles Mögliche, das zu tun ist. Dann müssen wir auch immer per Telefonkonferenzen abstimmen. Rein demokratisch, bei jeder Sache. Damit jeder eine Stimme kriegt.

Mal ganz grundsätzlich: Wie fühlt es sich für euch an, Teil einer so großen Bewegung zu sein?

Frietjof: Das macht mich auf eine Art und Weise stolz, wenn ich merke, dass es was bringt. Es ist nicht einfach nur auf die Straße gehen. Das hat Wirkung. Man kennt uns jetzt überall auf der Welt! Dass wir einen Termin im Rathaus hatten und dort unsere Forderungen vorbringen konnten, ist toll. Außerdem ist es schön, dass ich merke, dass ich mit meinen Gedanken nicht alleine bin. Dass Leute aus anderen Schulen, anderen Schichten und anderen Verhältnissen genau die gleichen Gedanken haben und auch sagen: Wir müssen was tun!

Luna: Wir engagieren uns auch außerschulisch, also im Hintergrund, viel dafür und das ist wichtig zu sagen! Es ist nicht nur so eine Laune. Wir geben uns jungen Menschen immer mehr eine gemeinsame Stimme, sodass wir gehört werden. Und die Reaktionen werden immer mehr.

David: Ich finde es ist gar nicht so wichtig, Teil genau dieser Bewegung zu sein. Ich identifiziere mich auch gar nicht so stark mit Fridays for Future im Besonderen. Aber da wurde jetzt ein Zug in Gang gesetzt, auf den man aufspringen muss! Das ist die Möglichkeit, diese Themen in der Politik stärker zu etablieren und das ist meine Hauptintention.

Das ist eine gute Überleitung zu meiner nächsten Frage: Was sind eure persönlichen Motivationen euch zu engagieren?

David: Es ist natürlich auch stark mit sozialen Aspekten verknüpft. Missstände haben wir zu genüge. Aber grundsätzlich geht’s uns um die Umwelt. Damit verknüpft geht es auch um die Gestaltung für die nächsten Generationen: Die Frage ist, wie wir als eine moderne Gesellschaft unter den klimatechnischen Bedingungen, wie sie jetzt vorherrschen, weiter fortexistieren können. Welche sozialen und welche staatlichen Mechanismen müssen jetzt in Gang gesetzt werden, damit sich diese Gesellschaft gesund dem Fortgang des Klimawandels anpassen kann?

Frietjof: Ganz persönlich ist es ja so: Was ist mit meiner eigenen Zukunft? Wie sieht’s aus, in 30 Jahren? Und andererseits, das muss ich auch ganz ehrlich sagen: Es hat auch was mit meinem Umkreis und meinen Freunden zu tun, die schon politisch oder persönlich aktiv sind. Ich möchte zeigen können: Ich tue auch was!

Luna: Man muss es doch ganz klar sagen: Wir sind die Zukunft! Und jetzt ist der Zeitpunkt etwas zu ändern. Bald schon nicht mehr. Ich habe keine Lust darauf, in zwanzig Jahren von meinen Kindern, zu Recht, vorwurfsvoll angeguckt zu werden. Oder von den Menschen, die dann jung sind, hören zu müssen: Warum habt ihr nichts gemacht?

Frietjof: Das ist doch jetzt schon die Frage: Warum habt ihr nichts gemacht? Ist das In zwanzig bis dreißig Jahren überhaupt noch relevant? Können wir dann noch Kinder bekommen? Das klingt jetzt hart, aber das ist doch so.

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Frietjof

Und wie erlebt ihr die Demonstrationen hier in Flensburg?

Frietjof: Ich fand es genial, als ich zum ersten Mal dahin kam und gesehen hab, dass der ganze Platz voll war.

Luna: Es sind aber auch diese Kleinigkeiten, wenn man von zuhause aus zur Demo läuft: Du siehst die Leute, auch so viel jüngere, die mit ihren Plakaten in den Straßen rumlaufen. Das sind die Momente, in denen ich mich so riesig freue. Weil das zeigt: Wir bewegen was! Wir bringen Menschen dazu, sich zu positionieren!

David: Auch diese Energie, die auf den Demos entsteht. Und zu sehen, wie die Leute sich damit beschäftigt haben. Wie sie die Plakate machen. Die haben sich auf kreative Art und Weise mit dem Thema auseinandergesetzt, das alleine ist ein super Effekt.

Habt ihr das Gefühl, dass in Flensburg viel getan wird, um eine nachhaltigere, zukunftsfähige Stadt zu werden?

Frietjof: Ich denke, dass Flensburg weiter ist als andere Städte. Aber manchmal sehe ich Sachen, bei denen ich mich dann wundere, warum sie noch nicht getan sind. Teilweise auch Sachen, die schon lange gefordert werden. Zum Beispiel im Bereich Mobilität: Wieso gibt es noch keine Fahrradabstellboxen am Bahnhof? Oder einen Meetingpoint, damit man zusammen mit dem Schleswig-Holstein-Ticket fahren kann? Warum gibt es so viele Straßen ohne Fahrradwege?

Ihr hattet ja heute schon ein Gespräch: Vorhin wart ihr im Rathaus und habt euch mit Oberbürgermeisterin Simone Lange getroffen. Bei der letzten Demonstration war sie auf die demonstrierenden Schüler*innen zugekommen und hatte euch einen Gesprächstermin angeboten. Mit welchen Forderungen seid ihr denn konkret in das Gespräch reingegangen?

David: Viele unserer regionalen Forderungen stehen eigentlich schon im Masterplan Mobilität der Stadt. Das meiste darin ist allerdings nur langfristig gedacht, was uns natürlich grämt. Ein Beispiel ist die angestrebte Verkehrsverteilung 2050: 50% motorisierter Individualverkehr, 25% Fahrrad und 25% Fußgänger und ÖPNV – das ist ein bisschen komisch.

Der Personennahverkehr hier, ist sowas von ausbaufähig. Eigentlich kann es in einer reichen Nation nicht sein, dass der ÖPNV hier dermaßen überteuert ist. Er sollte mindestens für Schülerinnen und Schüler, Studierende und Azubis und Rentner*innen kostenlos sein. Das ist eine der Forderungen gewesen, die wir hier auf kommunaler Ebene gestellt haben. Aufgrund der schlechten Haushaltslage kann das aber nicht finanziert werden, durchaus aber an Bund und Land weitergereicht werden.

Viele Forderungen finden außerdem keine Mehrheiten in den Ratsversammlungen und auch Simone Lange selbst macht auch nicht so viel, wie sie vielleicht könnte. Oder Dinge werden zu langsam oder aber gar nicht umgesetzt, obwohl sie beschlossen wurden.

Hattet ihr das Gefühl in dem Gespräch ernstgenommen zu werden?

Frietjof: Ich war echt skeptisch. Man kennt das ja von Politikern, die reden gerne viel, aber was sie dann umsetzen, passt oft nicht dazu. Aber so, wie wir heute mit ihr gesprochen haben und, dass wir jetzt auch Termine mit der IHK haben und mit AktivBus Flensburg haben, stimmt mich zuversichtlich.

David: Man kann schon sagen, dass wir ernst genommen wurden. Es war allerdings wieder so eine Aktion: Ihr bringt eure Forderungen und wir erklären euch mal ganz kurz, woran es scheitert. Nach dem Motto: Wir haben das ja alles schon im Masterplan verankert. Wir können es in der Zeit, in der ihr es fordert, nicht umsetzen bzw. es wird einfach nicht umgesetzt, weil die Politik dagegen ist. – Aber grundsätzlich war das Gespräch kein Misserfolg.

Hat sie euch was zugesagt?

Luna: Wir werden in der Ratsversammlung am 21. März sprechen.

David: Ja, es wurden Gespräche mit bestimmten Institutionen und Akteuren hier in Flensburg auf kommunaler Ebene zugesagt. Wir können also direkt mit den Firmen sprechen, die Einfluss haben.

Wie tragt ihr das, was jetzt in dem Gespräch passiert ist, in eure Regionalgruppe zurück? Ihr wollt ja Druck aufbauen.

David: Das ist eine gute Frage. Klar ist aber: Wir sind nicht in der Rolle Kompromisse mit der Politik auszuhandeln. Wir sind die, die fordern und wir haben unsere Forderungen formuliert. Wir sind als kleine Gruppe eigenständig rangegangen, wir haben ja alle unterschiedliche Ideen, jeder einzelne, der zur Demo kommt.

Luna: Das stimmt, wir können nicht für alle sprechen und wir können auch keine Lösungen bieten. Im Landtag letzten Monat, haben sie zu uns gesagt, wir sollen ein Programm für sie schreiben. Das ist einfach nur peinlich. Wir haben dann erstmal erklärt, dass das eigentlich deren Verantwortung ist. Unsere Verantwortung liegt darin, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es deren Scheiße ist. Wir persönlich, müssen auf uns selbst gucken, was wir ändern können: Ich bin der Meinung, alle sollten sich vegan ernähren. (lacht) Es fängt ja schon damit an, welche Zahnbürste du benutzt, welches Shampoo. Es gibt so viele Sachen, die man selbst ändern kann. Trotzdem gibt es vieles für Politiker zu tun. Deshalb ist das mit dem Druck ein wichtiges Thema. Vieles in der Politik dauert einfach viel zu lange.

David: Wir sind Schülerinnen und Schüler, wir dürfen auf unsere Art und Weise naiv und kompromisslos bleiben und das werden wir auch bleiben. Wir werden unsere Forderungen nicht anpassen. Wenn wir sagen Kohlekessel soll 2023 abgestellt werden, dann soll der auch 2023 abgestellt werden. Dann geben wir uns eben nicht mit 2028 zufrieden.

Werdet ihr solange streiken?

Frietjof: Wir machen das so lange, bis sich was ändert. Mein persönliches Problem allerdings  ist, dass ich es nicht machen kann. Weil meine Schule ein bisschen schwierig ist. Wir müssen mit Konsequenzen rechnen. Ich kann deshalb ein paar Male mitmachen, aber ich würde sehr gerne aufs Gymnasium gehen und das möchte ich mir nicht versauen. Das ist eine Zwickmühle, weil es ja gleichzeitig auch heißt: Wofür lernen, wenn es keine Zukunft gibt?

Luna: Also meine Schule unterstützt uns. Es sind sogar Klassenarbeiten, die auf dem 15.03. lagen, verschoben worden!

Welche Unterstützung braucht ihr, damit ihr durchhaltet?

Frietjof: Ich würde mir Unterstützung von den Schulen wünschen!

David: Wir sind mit dem Klimapakt Flensburg direkt in Kontakt, weil die sich auf kommunaler Ebene schon mit bestimmten Maßnahmen auseinandersetzen. Die haben Ahnung, was auf kommunalpolitischer Ebene umsetzbar ist. Außerdem erhoffen wir uns Unterstützung von den Studierenden!

Frietjof: Auf Bundesebene bekommen wir auch Unterstützung: Ecosia hat uns angeboten, dass sie deren Logo und unseres miteinander verbinden und das am 15.03. online stellen. Das ist weltweit die viertgrößte Suchmaschine –

Luna: – die erreichen 8 Millionen Leute, deshalb haben wir beschlossen als einmalige Aktion mit denen zu kooperiert. Die werden dann Werbung für uns machen. Hammer nice.

Frietjof: Man muss bei so Kooperationen halt auch immer gucken, wer das genau ist. Wir können beispielsweise gerade nicht verhindern, dass Leute Geld damit verdienen, dass wir so einen geilen Namen haben und, dass sie irgendwelchen Merch und T-Shirts verkaufen, mit dem wir gar nichts zu tun haben. Wenn uns jemand anfragt, gucken wir erstmal, was für ein Verein das so ist.

Luna: Heute erst habe ich die Anfrage für ein Festival abgesagt, weil das von About You finanziert war.

Für transitioneer sind wir immer auf der Suche nach Werkzeugen, die gesellschaftlichen Wandel voranbringen. Ist die Demonstration ein gutes Werkzeug?

Luna: Es ist nicht das optimalste.

David: ­Gerade auf kommunaler Ebene finde ich das Konzept der Bürgerinitiative sehr interessant. Das ist eins, das man in Flensburg auf bestimmte Themenbereiche anwenden könnte. Das ist was, was auch vielleicht irgendwann kommt. Wenn man eine konservative Ratsversammlung hat und man einfach anderer Meinung ist, kann man mit solchen Mitteln durchaus was bewegen.

Und welche Werkzeuge unterstützen euch beim Politik machen und bei eurem Engagement?

Luna: Wir machen keine Politik. Natürlich haben wir unsere Kontakte, aber wir versuchen uns von Politikern eher zu distanzieren. Wir zweifeln sie an, versuchen sie zu kritisieren und wir machen richtig Druck. Aber wir sind keine partei-politische Bewegung.

Frietjof: Wir sind eher gegen die Politik, weil wir sagen: Ihr macht was falsch.

David: Das Mittel von FFF wird die Demonstration bleiben. Demonstrieren bedeutet ja da sein, anwesend sein, auf etwas zeigen. Natürlich erhoffen wir uns auch einen demokratisierenden Effekt.

Luna: – das fängt ja schon an.

Vielen Dank für das Gespräch. Verratet ihr mir noch euer Alter?

Luna: Das bietet nur wieder Raum für Diskriminierungen und das hatten wir schon.

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Ein Teil der Fotos entstand auf der Fridays For Future Demo vom 01.03.2019. Emma hat sie gemacht. Die Portraits hat Max Kraft während unseres Gesprächs geschossen. Danke! 

Von laura

Wenn Laura nicht gerade für trotzdem schreibt oder illustriert, findet man sie beim Bouldern oder Schrauben in der Boulderhalle in Flensburg. Als Kommunikationsdesignerin ist sie unser Joker, wenn es um die Bebilderung der Artikel und sonstige visuelle Gestaltung von trotzdem geht — sei es auf der Website oder Instagram.

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