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Gegensätze ziehen sich an: Die Bits & Bäume Konferenz

Alexa war im November auf der Bits & Bäume Konferenz. Jetzt schaut sie für transitioneer nochmal zurück. Gerade mit ein bisschen Abstand, merkt man schließlich oft erst, was wirklich spannend war. Was ist von den zwei Tagen Input hängen geblieben? – Hier ihr persönlicher Einblick:

Als mir der ‘wunderbare’ Facebook-Algorithmus die Konferenz Bits & Bäume über Digitalisierung und Nachhaltigkeit für Mitte November 2018 vorschlug, war ich total euphorisiert. „Endlich passiert mal was in diese Richtung“, dachte ich mir. Die Ökos dieser Welt sollten, meiner Meinung nach, nämlich nicht länger die Augen vor der digitalen Wende verschließen und auch das Verteufeln des Internets kann ich nicht mehr hören. Dabei waren es doch sogar Hippies, die das Internet miterfunden haben!  

Bits & Bäume bot mir und den anderen Besucher*innen eine wirklich breite Palette an Vorträgen und Workshops: Es waren mehr als 120. Die Themengebiete erstreckten sich von der ‘materiellen Basis’ der digitalen Produkte, bis hin zu den ganz großen Fragen, was diese Digitalisierung denn jetzt eigentlich mit uns und der Welt macht.

Es waren Menschen da, deren Bücher und Texte ich bereits gelesen oder wovon ich zumindest schon gehört hatte. Es kamen Fragen auf, die mich bereits beschäftigten oder Fragen, die wiederum neue Fragen aufwarfen. Ein Mäandern zwischen Hoffnungslosigkeit und Hoffnung. Es war irgendwie beides.

Nun möchte ich aus meiner ganz subjektiven Gefühlskiste heraus plaudern, denn es geht ja darum, was wir individuell aus all dem machen, was uns gegeben wird. – Ganz ehrlich: Vor allem trafen mich die Hiobsbotschaften über die momentane Situation der digitalen Welt. Dass sie zu Massenüberwachungsgewalt, Gleichgültigkeit und Ohnmacht, zu Entpolitisierung, Ausbeutung von Natur und Mensch, sowie neuen, immer verrückteren Machtverhältnissen führt – und teilweise auch schon dort angekommen ist.

Während ich meine Notizen durchgehe, frage ich mich die ganz essentielle Frage: Was nehme ich aus den einzelnen Panels mit? Und dann lege ich meine Notizen weg und gehe in mich. Natürlich war das alles viel zu viel auf einmal und jetzt, circa zwei Monate später, kann ich mit Sicherheit sagen, was wirklich hängen blieb.

Was mit Ernährungssicherheit legitimiert wird, bringt Abhängigkeiten ohnehin schon abhängiger Kleinbäuerinnen und -bauern mit sich.

bitsundbaeume_techgiganten

Es erstaunte mich, wie sehr die Landwirtschaft mit Digitalisierung zusammenhängt. Es schockierte mich, dass Tech-Giganten ihre Finger wirklich überall im Spiel haben und gefühlt bald die Weltherrschaft übernehmen. Vor allem hinsichtlich der Ernährungssouveränität ist das besorgniserregend. Denn was mit Ernährungssicherheit legitimiert wird, bringt weitere Abhängigkeiten ohnehin schon abhängiger Kleinbäuerinnen und -bauern, Ländern und Menschen, von zentralen Mächten mit sich. Wieder einmal bestätigt sich mein Gefühl, mich mehr mit den Themen Agrarwende, Machtverhältnisse und Ernährung beschäftigen zu wollen. Mehr und mehr wächst in mir der Gedanke, über dieses Themenfeld meine Masterarbeit zu schreiben. Wenigstens hab ich etwas gewonnen auf der Konferenz. Der Workshop über Digitalisierung und Landwirtschaft gab mir aber ironischerweise auch Zuversicht. Der Raum war überfüllt und stickig, mir war schlecht, nicht nur der Themen wegen. Doch zeigt das nicht auch, dass Interesse besteht? Ist das nicht ein Zeichen, dass endlich auch die Basis – unsere Versorgung mit allem was da dranhängt – mitgedacht wird? Dass die Menschen wieder anfangen, darüber nachzudenken, wie sie die Macht über ihre eigene Ernährung zurückbekommen? I hope so.

Wo wir schon bei Versorgung sind, sollte, wie ich finde, das Catering durch Fläming Kitchen nicht unerwähnt bleiben. Ich hatte Wam Kats leckere vegane Speisen bereits auf der Utopie-Konferenz in Lüneburg genießen dürfen und war da schon begeistert. Der Mann und sein Team schaffen es, vegan, saisonal, bio und dazu auch noch super lecker für so viele Menschen zu kochen! Grandios! Diese Erinnerung lässt meine Gedanken etwas abschweifen, hin zu dem ‘drum rum’ von Bits & Bäume. Die Stimmung war toll und diejenigen, die die Konferenz organisierten, haben bewiesen, dass mit vereinten Kräften eine starke Konferenz stattfinden kann. Es ist nicht schlimm, wenn Besucher*innen in der Küche mithelfen oder am Ende aufräumen, mitunter freut es diese sogar. Wirksamkeitserfahrung könnte man das nennen.

Für 70% des weltweiten Datenaufkommens ist Streaming verantwortlich.

Aber zurück zu den Inhalten, denn ein paar Dinge möchte ich noch loswerden. Wusstest du zum Beispiel, dass Streamingdienste wie YouTube, YouPorn und ja, auch unser geliebtes Netflix, DIE Stromfresser der Digitalisierung sind? Ich wusste es nicht. Für 70% des weltweiten Datenaufkommens ist Streaming verantwortlich, sagen Steffen Lange und Tilman Santarius. Die beiden sprachen auf der Konferenz, haben aber auch das Buch Smarte grüne Welt? geschrieben, in dem man das nochmal nachlesen kann. Im gleichen Panel wurde mir erneut vor Augen geführt, wie sehr eigentlich der Globale Süden für unser Vergnügen ausgebeutet wird. Was oft als Chance auf Wachstum verkauft wird, ist eigentlich menschenunwürdig, zerstört Familien, Leben und Umwelt. So verpuffte die naive Aussage, dass die Digitalisierung den Klimawandel lösen könne, inmitten der Diskussion zwischen Nord und Süd.

Immer wieder wird mir in solchen Momenten klar, dass diese Welt und all ihre Verflechtungen, Metasystemen, Subsystemen und so weiter und so fort, ultrakomplex ist und alles miteinander in Beziehung steht. Wie ist da eine einfache Lösung zu denken?

bitsundbaeume_materielle_basis

An diesen Gedanken nage ich schon so lange und bekomme sie oft einfach nicht auf die Kette – einen Blick über das Große und Ganze aufzubauen und zu bewahren, ist eine echte Herausforderung. Immer wieder kommen neue, kleine, verwinkelte Verbindungen, die wiederum mit irgendetwas verwoben sind, zum Vorschein.

Silke Helfrich bestätigt mein schon lange gärendes Gedankengut, indem sie ganz nebenbei erwähnt, wie schwierig sei, eine Welt zu denken, ohne Reziprozitätsgedanken, also Wechselbeziehungen. Sind aber auch schön, diese ganzheitlichen Wechselbeziehungen – nur manchmal auch brainfuck.

Jetzt sind wir an dem Punkt, den wir in den vergangenen Revolutionen – von der neolithischen bis zur industriellen – immer wieder verpassten. Eine andere Digitalisierung ist möglich!

Meine im Monthly Dreizeiler vom November bereits angekündigte, hoffnungsvolle, hippieske Naivität setzt dennoch genau da an, wovon ich gerade schrieb: Ich denke, dass wir genau jetzt an dem Punkt sind, an dem wir genau diese vielen Verbindungen noch positiv nutzen können und zu mehr Demokratie, einer stärkeren Politisierung, mehr Gerechtigkeit, besseren Gemeinschaften führen können. Noch ist eine Alternative möglich, die Herrschaft und Ungleichheit begegnet. Jetzt sind wir an dem Punkt, den wir in den vergangenen Revolutionen – von der neolithischen bis zur industriellen – immer wieder verpassten. Eine andere Digitalisierung ist möglich! Was wir dafür brauchen, sind: Demokratie, Datenschutz, Gemeinwohlorientierung, Kontrolle digitaler Monopole, Bildung, Verantwortung, Open Source, IT-Sicherheit und gerechten Handel, in dem Machtverhältnisse zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden aufgelöst werden.

Konferenzen wie Bits und Bäume können Augen und Herzen öffnen, die Welt zu einem ‘better place’ für alle zu machen. Oder zumindest dazu anregen, mal wieder darüber nachzudenken, wie wir eigentlich hier leben wollen.

Von redaktion

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