MDZ

Monthly Dreizeiler über das Mitnehmen, das Tauschen von Pflanzen, verlorene Zeit und zukunftsgestalten und über Unverfügbarkeiten

Ein Mal im Monat präsentieren wir im Monthly Dreizeiler, was uns in letzter Zeit inspiriert oder geschockt hat. Das was augenöffnend war.

Das nehme ich mal mit!

— ein Podcast

Ich wage mal die These, dass die wenigsten von euch wissen, was die gewählten Vertreter*innen im Landtag den lieben langen Tag so tun. Einen tollen Einblick in die Arbeit von Politiker*innen geben die Abgeordneten Aminata Touré und Lasse Petersdotter mit ihrem Podcast Das nehme ich mal mit.

Das Titelbild ihres Podcasts. Ein sympathisches Selfie.

Die beiden gehören seit 2017 der grünen Fraktion des schleswig-holsteinischen Landtags an. Mit 26 und 29 Jahren gehören sie zu den jüngsten Abgeordneten in Kiel, Aminata Touré ist seit einigen Wochen außerdem die jüngste Vize-Landtagspräsidentin in ganz Deutschland. Sie arbeitet u.a. zu den Themen Flucht, Migration, Frauen und Gleichstellung, während Lasse Petersdotter  u.a. die Themen Finanzen, Haushalt und Strategien gegen Rechtsnationalismus bearbeitet.

Für ihre Arbeit sind sie im ganzen Land unterwegs und kommen dabei mit vielen Menschen ins Gespräch. Da sie manche Fragen nicht direkt beantworten können – man wünschte sich, dass alle Politiker*innen so ehrlich wären, statt Phrasen zu dreschen – nehmen sie manche Fragen auch erst einmal mit, um später gut recherchierte Antworten geben zu können (Das nehme ich mal mit).

In ihrem Podcast haben die beiden jetzt die Möglichkeit, Themen, die sie beschäftigen, intensiver miteinander zu besprechen und so viele Zuhörer*innen daran teilhaben zu lassen. Das ist immer informativ, spannend, manchmal witzig oder macht nachdenklich, je nach besprochenem Thema. Transparenz ist ihnen wichtig in ihrer politischen Arbeit. Auch Gäste kommen in ihrem Podcast zu Wort. Man erfährt darüber hinaus vieles aus ihrem Alltag zwischen Anträgen und Reden schreiben, Fraktions- und Ausschusssitzungen, der Planung von Terminen und Veranstaltungen, Pressearbeit und dem Kontakt zur Bevölkerung. Spannend fand ich beispielsweise, als Lasse Petersdotter über die Finanzstrategie Nachhaltigkeit in Schleswig-Holstein (FINISH) sprach. Denn unser Geld liegt nicht einfach auf der Bank, sondern es wirkt da, wo es investiert wird (wer mehr wissen will: Folge 7). In einer anderen Folge spricht Aminata Touré mit zwei Mitgliedern des Kollektivs Afro-deutscher Frauen* (dort ist sie auch selbst Mitglied: Folge 12).

Wer also an grünen Themen interessiert ist und gern mehr über die Arbeit im Kieler Landtag erfahren möchte, sollte unbedingt mal einschalten.

Lisa (die selbst schon einmal ein Praktikum bei den Grünen in Flensburg gemacht hat)

Pflanzentausch im Sonnenblumenhaus

— eine Art Party

Zu einem Krankenbesuch wollte ich gerne einen Blumenstrauß mitbringen und bin deshalb in einen Franchise Blumenladen gegangen, der langsam aber sicher alle anderen Blumenläden aus den Innenstädten verdrängt. Schon während ich in den Laden reinging, ärgerte ich mich darüber, dass das meine einzige Alternative war — zu diesem Zeitpunkt hätte ich es nirgends anders mehr hin geschafft — Schnittblumen aus Südafrika, Marokko, Neuseeland und ähnlich weit weg, mit einem sozialökologischen Fußabdruck, der ganz Flensburg platt machen würde. — Also kaufte ich die Blumen mit schlechtem Gewissen und Groll über den strukturellen Zwang; ich wollte eben auch nicht ohne Blumen im Krankenhaus auftauchen, Topfpflanzen gehen ja aber auch nicht.

Auch wenn ich in dieser Situation nichts geändert habe, dachte ich lange über das Phänomen Zimmerpflanzen nach — das würde aber das Format des Dreizeilers sprengen. Kurzum: Habt ihr schonmal eine Pflanze gekauft? Das ist alles unverhältnismäßig teuer und hinterlässt keinen guten Fußabdruck. Am Ende landen die Pflanzen eh auf der Straße, wie ungewollte Haustiere an Autobahnraststätten. 

Unter anderem deshalb findet am 18.11. eine Pflanzentauschparty im Sonnenblumenhaus hier in Flensburg statt. Werden dort sonst Klamotten getauscht, sind es an diesem Tag Pflanzen und deren Ableger, die den grünen Daumen wechseln.

Ein Ausschnitt des Flyers zur Veranstaltung

Organisiert haben das Alexa und Levke von den Referaten für Ökologie und Infrastruktur des Astas der Uni Flensburg zusammen mit Simone vom Sonnenblumenhaus, die ihre Räume zur Verfügung stellt. Unter dem Motto Lasst uns teilen, was wir haben! machen seit einigen Wochen schon viele meiner Freund*innen fleißig Ableger und topfen um! Tauscht ihr mit uns? 🙂

Laura, die übrigens auch den Flyer für die Veranstaltung gemacht hat

Florian Opitz auf der Suche nach verlorengegangener Zeit

— ein Film

Die Filmreihe Zukunftsgestalten hat wieder begonnen. Zum Thema Widerstand läuft die Filmreihe schon seit dem 17. Oktober und heute kommt um 19.30 Uhr der Film I, Daniel Blake. Im November, und darauf möchte ich euch aufmerksam machen, geht es um Unverfügbarkeiten (siehe Svenjas Beitrag zum MDZ). Besonders das Thema Zeit finde ich in diesem Zusammenhang spannend:

Time is a social institution. it is not a physical reality.

Der Philosoph Alan Watts trifft uns an einem wunden Punkt, wenn er sagt, dass Zeit eine soziale Konstruktion ist und keine physikalische Realität. Wund deshalb, weil es bedeutet, dass wir selbst über unsere Zeit verfügen können, gar selbst gestalten, sie uns aber trotzdem ständig durch die Finger rinnt wie Sand. In Michael Endes Roman Momo kommen die Grauen Herren in die Stadt und behaupten, die Menschen könnten auf speziellen Konten Zeit sparen und auch in Wirklichkeit versuchen wir dies immer wieder: mit Projektmanagementtools und verschiedenen anderen Systemen können wir unsere Tätigkeiten immer noch zeiteffizienter gestalten. Wir gestalten Zeit also schon. Aber warum muss sie so gestrafft werden? Wofür? 

— Damit wir Zeit haben für all die Millionen Möglichkeiten, die uns hier im Globalen Norden zur Verfügung stehen. Der Filmemacher Florian Opitz hat sich an dieser ganz persönlich Stelle gefragt, wo denn seine gesparte Zeit hin verschwunden ist? Und was er davon hat? Denn in Wahrheit ist es ja so, dass wir nicht mehr Zeit haben, sondern wie unter Speed vonErlebniszuTerminzuMöglichkeitzuTerminzuUrlaub hasten und immer weniger Zeit haben. Wir wissen, dass es keine Zeitkonten gibt, wieso sparen wir trotzdem ständig Zeit?

Mit dem Film Speed — Auf der Suche nach der verlorenen Zeit trifft Florian Opitz genau den wunden Punkt, den Alan Watts und viele andere schon beschrieben haben. Die Filmreihe Zukunft(s)gestalten – Filme für gesellschaftlichen Wandel bringt ihn am Mittwoch den 20.11. im Volksbad in Flensburg auf die Leinwand.

Mittwoch, 20.11.2019 | 19–22Uhr | Volksbad, Schiffbrücke 67, Flensburg

Florian Opitz begibt sich auf die Suche nach der verlorenen Zeit – die wir zu sparen glaubten.

— auch Laura

Unverfügbarkeiten

— Ein Buch

Das Semester hat begonnen, die Projekte häufen sich und mein Kalender füllt sich fast von alleine mit Terminen und Unternehmungen. Wo bleibt da eigentlich die Spontaneität?  Es ist also kaum verwunderlich, dass mich im Moment das Thema Zeit umtreibt und sich in der Wahl meiner Lektüre niederschlägt: Unverfügbarkeit von Hartmut Rosa.

Laut Rosa ist es uns als Gesellschaften gelungen, immer besser und umfassender über die Welt zu verfügen – wir haben jeden Winkel sichtbar und erreichbar gemacht, beherrschen die Natur und nutzen alles, was der Planet hergibt. Blickt man auf unseren Alltag, zeigt sich ein deutliches Bild der Verfügbarkeit: Unsere Tage sind streng durchgetaktet, wir können 24h lang alles bestellen, was uns in den Sinn kommt (Internet sei dank – oder auch nicht?!) und im Urlaub besteigen wir die höchsten Berge der Welt für ein Gipfel-Selfie, als wäre es das normalste der Welt. Abgesehen davon, dass das alles einen Rattenschwanz an sozial-ökologischen Folgen nach sich zieht und ein solches Verhalten mit Privilegien verbunden ist, die wir individuell und als Gemeinschaft hinterfragen sollten, entwickelt der Jenaer Soziologe Hartmut Rosa noch eine weitere Sicht auf den aktuellen Zustand der Welt: Menschen brauchen Resonanz erzeugende Beziehungen zu Dingen und anderen Menschen. Um in diese zu treten, ist für uns ein Zwischenzustand notwendig – ein „halb verfügbar“, das sich „zwischen völliger Verfügbarkeit und gänzlicher Unverfügbarkeit beweg[t].“ (S. 48)  Wer also immer schon weiß, was wann und wie passiert, beraubt sich der Möglichkeit des Unerwarteten und in gewissem Maße der Verwandlung:

„Wenn sie [Resonanz] eintritt, verwandeln wir uns, aber es ist unmöglich vorherzusagen, in welche Richtung wir uns verändern oder was das Ergebnis der Verwandlung sein wird. In welcher Weise und mit welcher Tiefe wir uns verändern, wenn wir auf einen Menschen, eine andere Lebensform, eine Idee, ein Buch, eine Landschaft wirklich einlassen, lässt sich prinzipiell nicht wissen, bevor der Prozess der Anverwandlung abgeschlossen ist.“ (S. 44).

Wie wir diese Momente in unserem Leben schaffen können – da greift Rosas analytische Beschreibung für mich etwas zu kurz und lässt mich als Leserin vor allem mit unsortierten Gedanken zurück. Ich für meinen Teil habe dennoch beschlossen, vorerst mehr auf meine Zeit zu achten und mir selbst mehr freie Zeit zu geben. Für Momente der Resonanz.

Svenja

Und zum Schluss noch ein Bonbon das uns Emma neulich mitgebracht hat: Hagen Rether, einer der spitzfindigsten und aktuellsten Kabarettisten Deutschlands.

Von redaktion

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